Donnerstag, 28. Februar 2013

Das Geld & der Arm machen Sorgen


-26. bis 28. Februar 2013-
Vorgestern hatte ich die Idee ein Profil für jedes Kind unseres Kindergartens zu basteln und knipste vor einer kaminroten Wand schöne Fotos von den Kleinen. Von gewagten Posen über gefährliche Blicke bis zu herzschmelzenden Lachen war alles dabei und selbst Profis hätten sich da noch eine Scheibe abschneiden können. Leider herrscht bei uns gerade etwas Geldknappheit wofür unter Anderem die Lücken aufweisenden Zahlungen der Kindergartengebühr verantwortlich sind. Zwar verpflichten sich die Eltern am Beginn des Schuljahres jeden Monat die sehr geringe Gebühr von R250 für den täglichen Transport aus dem Township heraus und zwei Mahlzeiten zu zahlen, aber das letzte Jahr haben eine Vielzahl der Kinder den Kindergarten verlassen ohne November oder gar Oktober zu bezahlen. Von Dezember ganz zu schweigen, denn dieser Monat schien von allen Eltern vergessen worden zu sein. Bei über 30 Kindern ist das eine Menge Geld die fehlt und da selbst Florians Fahrt durch das Township und sein dringliches Klopfen an vielen Türen wenig Wirkung zu zeigen scheint, bleibt uns wohl nichts anderes übrig als etwas kürzer zu treten. Für das Ausdrucken meiner Fotos bedeutet das, dass das Geld wohl gerade nicht reicht und die Profile auf etwas bessere Zeiten warten müssen.
Gestern ereignete sich noch ein kleines Unglück im Kindergarten. Ein kleiner Junge flog von einem Klettergerüst und brach sich dabei den Ellenbogen. Unsere Projektmanagerin Bongi fuhr sofort mit ihm in die Klinik, in der er gestern noch operiert wurde. Ich hoffe sehr, ihm geht es heute schon wieder besser! Der Unfall war wirklich ein kleiner Schock für uns alle aber er hat mich auch darauf aufmerksam gemacht, wie gut eigentlich die letzten Monate gelaufen sind. Jetzt bin ich schon 6 Monate hier und bis auf den gestrigen Vorfall habe ich außer kleinen Kratzern und Schürfwunden nichts Schlimmeres in unserem Kindergarten erlebt. Hoffen wir, dass die Unfallrate sich nicht verändert und der Klinikbesuch eine Ausnahme bleibt.
Im Afterschoolcare gab es gestern dann eine weitere Überraschung. Während ich damit gerechnet hatte meinen erste Zirkuseinheit seit den Ferien zu haben, hatten Lusanda und Pinky andere Pläne mit den Kindern. Die Kinder/Jugendlichen haben nun die Aufgabe bis Freitag ein Referat auszuarbeiten und ihr Thema weiterführend in einem Rollenspiel zu vertiefen. Das Thema kann jede Gruppe frei wählen, es sollte sich jedoch auf Problematiken der Gesellschaft in der sie leben beziehen. Mögliche Themen hierfür währen zum Beispiel Arbeitslosigkeit, Teenager Schwangerschaften etc. Unsere Aufgabe hierbei ist es den Gruppen eine Stütze zu sein und ihnen bei Bedarf Denkanschübe geben zu können.
Leider werden Adrian und ich die Referate nicht mehr anhören können, da morgen Mittag unser Zwischenseminar beginnt. Ich bin schon sehr gespannt darauf wie es wird. Das Vorbereitungsseminar war unglaublich schön und lehrreich und ich hoffe sehr, dass es ein paar schöne 5 Tage werden. Da Ann-Christin leider nicht über die Freunde der Erziehungskunst Rudolf Steiners e.v. zu Vulamasango gekommen ist müssen wir sie für die paar Tage allein zurücklassen. Doch wenn man sich tagein und tagaus sein Zimmer mit zwei Mitbewohnern teilt, immer Jemand mal hier und mal da herumkruschtelt, sein T-Shirt oder sein Geschirr stehen lässt, dann ist ein bisschen Ruhe bestimmt auch etwas sehr schönes. Ich muss aber sagen, ich bin sehr stolz darauf wie wir das hier machen. Natürlich gibt es hier und da ein paar Spinnweben (bei dem Ungeziefer mit dem wir unsere vier Wände teilen unvermeidbar) und natürlich liegen auch hier und da ein paar Kleidungsstücke aber nachdem ich morgendlich meinen mir zuvor noch unbekanntem Putzfimmel (ja Mama da staunst du) freien lauf gelassen habe, blinkt der Boden, das Geschirr befindet sich auf seinem Platz im Schrank und unser Raum ist ein Örtchen an dem man sich wohlfühlen kann.
Ich verabschiede mich hiermit für ein paar Tage und melde mich ganz bald nach meinem Zwischenseminar wieder!


Montag, 25. Februar 2013

Tränenlauf & Fußballzauber

-22. bis 25. Februar 2013-
Mein Freitag begann ganz normal. Ich stand auf, trank einen Kaffee, brachte ein bisschen Ordnung und Sauberkeit in unseren oft auch als Durchgangszimmer genutzten Raum und begab mich in die Halle um mir eins der Kinder zum massieren zu holen. Die Wahl fiel auf ein mir sehr nahestehendes Mädchen und so begann ich damit ihren kleinen Rücken zu massieren. Zu Beginn verlief auch alles, wie ich es von den anderen Kindern gewohnt war. Ihre Augen wurden immer schwerer und sie versuchte sie mit aller Kraft offen zu halten. Dann geschah jedoch etwas ungewohntes. Kleine Tränen begannen aus ihren großen, braunen Augen zu kullern und schließlich drang ein leises Schluchzen aus ihrer kleinen Brust. Als das Schluchzen immer mehr anschwoll, unterbrach ich meine Massage, wickelte sie in eine Decke, nahm sie auf den Arm und brachte sie zu unserer Kindergärtnerin. Sie konnte aufgrund der Sprache besser mit ihr reden und erfuhr von der Kleinen, dass sie Angst hat. Nicht vor mir, nicht vor der Massage oder sonst irgendetwas anderem nicht Festmachbarem, sie hatte einfach Angst. Es scheint so als hätte die Massage in dem Mädchen, dass in seinem kurzen Leben schon viel mitmachen musste etwas gelöst, das sie bis jetzt in sich verborgen hielt. Es berührte mich sehr und ich hatte auch ein bisschen Angst, sie bringe das vielleicht in Verbindung mit mir, aber schon kurz darauf lachte und spielten wir wieder als wäre nichts geschehen.
Am Freitag Abend ereilte uns noch eine schlechte Nachricht. Eigentlich hatten wir geplant über das Wochenende zum Ferienhaus eines Freundes in Hermanus zu fahren worauf wir uns schon die ganze Woche gefreut haben. Leider ließen uns die Autos im Stich und so wurde das Vorhaben um zwei Wochenenden verschoben. Trotzdem erlebte ich ein schönes Wochenende und vor allem Gestern, Sonntag, hat mir sehr viel Spaß gemacht. Ich und fünf meiner südafrikanischen Freunde quetschten uns in ein Auto (ich konnte glücklicherweise gebrauch vom Mädchenbonus machen und genoss meinen Platz auf dem Beifahrersitz) und fuhren zum Sportplatz der University of Cape Town. Jeden Sonntag finden sich dort eine Menge junger Männer ein, um Fußball zu spielen. Auf zwei Plätzen finden dann Spiele statt, die jeweils bis zu einem Tor gehen. Die Mannschaft die das erste Tor erzielt darf auf dem Platz bleiben und gegen einen neuen Gegner antreten. Nachdem wir uns das letzte Wochenende relativ spontan dazu entschlossen haben dorthin zu gehen und ich mit meinem Kleid kaum angemessen Fußballkleidung trug, hatte ich dieses Mal mit kurzer Hose und Sportschuhen besser vorgesorgt. Da ich weit und breit das einzige Mädchen war gab es natürlich einige Zurufe als ich mit meinen Jungs das Feld betrat, aber das machte mir nichts. Schon fast ein halbes Jahr ohne richtiges Fußballtraining mit meinen Mädels, das fehlt mir doch sehr und so genoss ich es wahnsinnig mal wieder den Ball am Fuß zu haben und richtig spielen zu können. Vor allem nachdem einige Zeit vergangen war, die Jungs sich daran gewöhnt hatten gegen ein Mädchen zu spielen und sich nicht mehr bei jedem Körperkontakt entschuldigten, war ich richtig glücklich mein anfängliches Zögern überwunden und mitgespielt zu haben.
Heute haben wir dann im After School Care mit unserem Craft-Projekt angefangen. Da wir aufgrund von Geldknappheit nur auf die schon vorhandenen Materialien zurückgreifen können, begannen wir nach einer Hausaufgabeneinheit mit der einfachen Kunst des Bändchen knüpfens. Wie alle sich über ihre Bändchen beugten und konzentriert ein Faden über den anderen legten, herrschte eine total schöne und produktive Stimmung. Der erste Projekttag war also ein voller Erfolg und hatte eine Menge an schönen Bändchen und Bändchenanfängen als Resultat.

Dienstag, 19. Februar 2013

Zurück im Projektleben



- 19. Februar 2013 -
Nachdem ich noch weitere schöne Urlaubstage unter anderem mit einem wunderschönen Ausflug ans Kap der guten Hoffnung verbracht habe, öffneten wir am 14. Januar wieder unsere Türen für die Kindergarten– und Crechekinder. Die Farm hatten wir davor auf Hochglanz poliert und ich freute mich sehr darauf alle Kinder wieder zu sehen.
Bevor ich jedoch vom neuen Jahr erzählen werde, ein kleiner Überblick zum Geschehen im Projekt. Ein großer Erfolg war der Aufbau der Schreinerwerkstatt, die später als Ausbildungsstätte dienen soll. Wie sich herausstellte war das zu renovierende Garagengebäude leider in einem schlechteren Zustand als angenommen, sodass kurzerhand beschlossen wurde das bestehende Gebäude abzureisen und ein neues aufzubauen. Hierbei leisteten 10 Schüler des Gymnasiums Eppendorf große Hilfe und schon bald stand der Rohbau. Dank der großzügigen Spende eines ehemaligen Schreiners der seine gesamte Schreinerwerkstatt gespendet hat, befindet sich nun ein Container gefüllt mit 90m² Maschinen in Kapstadt die nur darauf warten zu ihrem neuen Standort gebracht zu werden. Zur vollständigen Fertigstellung des Gebäude bedarf es jedoch noch weiteren 20.000 Euro um die sich gerade bemüht werden.
Eine gute Nachricht bezüglich des Baus der Waisenhäuser ereilte uns im November. Die rassistisch motivierten Einsprüche einiger umliegenden weißen Farmern wurden überstimmt und wie es aussieht kann der langersehnte Bau der Waisenhäuser beginnen, sobald die Pläne des Architekten vollendet sind, was noch bis April dauern sollte.
Außerdem haben im Dezember drei Jugendliche des Projekts ihr Abitur mit guten Noten bestanden.

Seit einem Monat sind wir nun wieder zurück auf der Farm – die Zeit fliegt an uns vorbei – und richtig im Alltag angekommen. Nachdem eine Woche vergangen war und wir uns wieder in unseren Arbeitsfeldern eingefunden hatten, begann ich auch wieder damit, jeden Morgen eines der Kinder zu massieren. Anlass dafür gab die Nacht eines kleinen Mädchens. Ihr Haus wurde mit dem Haus des Nachbars (ein Mitglied einer Gangster-Gruppe) verwechselt und so schlug eine Gruppe von ca. 20 Männern die Scheiben des Hauses mit Steinen ein. Der Vater ging raus um zu kämpfen, die Mutter weinte bitterlich und die Kleine zitterte noch immer als sie zu uns in den Kindergarten kam. Die Massage hat ihr geholfen zu entspannen und ich war sehr froh, als ich beobachten konnte wie sie ihre Augen kaum noch offen halten konnte und sie sich schließlich ihrer Müdigkeit ganz hingab. Seitdem massiere ich wieder regelmäßig jeden Morgen eine Stunde und es gefällt mir sehr, den Tag so ruhig starten zu können. Ich sehe wie sehr es die Kleinen genießen wenn ich mich ausschließlich ihnen zuwende und gleichzeitig kann ich mich noch ein bisschen meinen Gedanken hingeben wofür ansonsten nur wenig Zeit bleibt.


Inspiriert vom Kindergarten der Mutter eines Freundes, bei dem ich über ein Wochenende streichen bzw. aufräumen geholfen habe, habe ich mich dazu entschlossen den Kindern einen  süßen Handtuch- bzw. Zahnbürstenhalter zu bauen. Ich sägte, bohrte, schleifte, klebte und lies meiner Kreativität freien lauf. Als ich schließlich den alten und langweiligen weißen Halter gegen meinen vielfältigen und farbenprächtigen Halter austauschen konnte, war ich wirklich sehr stolz auf mein Resultat und freute mich sehr als die Kinder staunend vor den kleinen Bildchen standen.
Im Afterschoolcare haben wir uns zu beginn des neuen Schuljahres hauptsächlich auf schulische Angelegenheiten konzentriert und betreuten unsere Kinder bei den Hausaufgaben. Dabei ist sehr praktisch, dass viele der Schulbücher in Englisch verfasst sind. Außerdem kommt gerade zweimal die Woche eine Englischlehrerin, die den Kindern/Jugendlichen Nachhilfe in ihrem meist sehr schwachen Fach geben.
Ab nächster Woche werden wir aber den Schwerpunkt von der Schule auf neue Projekte legen. Wir drei Freiwilligen zusammen möchten gerne verschiedene Handarbeiten anleiten wie Nähen oder Bauen verschiedener Sachen. Außerdem werde ich mit meiner Zirkusgruppe fortfahren und Deutschunterricht anbieten. Ich bin schon sehr gespannt darauf, wie die Projekte laufen werden!
Am vergangenen Wochenende, das ich größtenteils im Township verbracht habe, habe ich wieder etwas beobachtet, das man hier leider öfter sieht. Kinder, die mit benutzten Kondomen spielen. In diesem Falle hatten sich zwei Jungs eine Schleuder aus einer aufgeschnittenen Flasche und einem Kondom gebaut. Das Kondom hatten sie über den Flaschenhals gestreift und das Ende mit einem Knoten versehen. Ihr Schießobjekte konnten sie nun in die aufgeschnittenen Flasche legen und durch das Schnappen des Kondoms durch die Luft fliegen lassen.
Auch die Geschichte eines Jungens die ich hörte, er muss gerade um die Ecke gelebt haben, verdeutlichte mir wieder das harte Leben im Township. Wegen eines Streites mit seiner Mutter brachte er sich um. Szenarien und Umstände die für uns kaum denkbar sind, sind für die Menschen im Township jeden Tag schreckliche Realität. Wir, mit denen das Schicksal es besser gemeint hat sollten uns jeden Tag daran erinnern, dankbar sein und Andere an unserem Glück teilhaben lassen.  

Neben den grauen Seiten Kapstadts haben ich aber auch gerade heute Morgen wieder erlebt, warum ich mich so sehr in diese Stadt verliebt habe. Noch vor der Arbeit setzten wir uns in unseren Hupert, fuhren zum Strand und nahmen ein Guten-Morgen-Bad im Meer. Es war wunderschön, wie die Sonne sich langsam ihren Weg durch die Wolken bahnte und die Berge in einem wunderschönen Licht erstrahlen lies. Selbst nach fast einem halben Jahr fällt es mir noch immer schwer glauben zu können, hier lebe ich.

Mittwoch, 6. Februar 2013

Ferientagebuch IV


Rezonance 
-29. Dezember 2012 bis 1. Januar 2013-
Nachdem ich eine ausgesprochene bequeme Rückreise hinter mich gebracht hatte, stieg ich am Morgen des 27. aus dem Bus und war unglaublich glücklich wieder in Kapstadt zu sein. Da sowohl Ann-Christin als auch Adrian noch verreist waren, empfing mich daheim eine verlassene Farm. Da ich mich aber während des Reisens ein bisschen an das Alleinsein gewöhnt hatte, war das schon okay so. Ich konnte in Ruhe ankommen, ein bisschen putzen und meine Wäsche waschen. Da ich mit Meike und ein paar südafrikanischen Freunden geplant hatte aufs Rezonance, ein Trance-Festival etwas außerhalb Kapstadts zu gehen, packte ich ein Zelt und meine frischgepackte Tasche in unser Auto Hupert und machte mich schon am nächsten Tag auf den Weg zum Plumstead-Haus. Hier traf ich auch meinen Freund Tim wieder, der sich seit dem 21. in Kapstadt befand. Nachdem wir Hupert dann mit den restlichen Taschen, Zelten, einem Campingkocher und ganz viel Dosenfutter aufgefüllt hatten, ging es los. Der Ort des Geschehens war wirklich im Nirgendwo und als wir ankamen, waren die gesamten Grünflächen schon mit Zelten übersäht. Da uns jedoch von früher Eingetroffenen ein Plätzchen freigehalten worden war, hatten wir Glück und schnell stand auch unser Zelt. Es folgten drei durchgetanzte Nächte, die sich mit vier durchgeschwitzten Tagen abwechselten. Die einzige, zumindest temporäre Abkühlung konnten wir uns mit einem Sprung in den auf dem Gelände befindlichen See bzw. Tümpel gönnen. Leider mussten wir dabei miterleben, wie ein junger Mann der Gefahr eines Gewässers bei einem solchen Festival zum Opfer fiel. Dieser Vorfall trübte unsere Stimmung natürlich stark und es fiel mir unglaublich schwer das Bild des sterbenden Mannes aus meinem Kopf zu bekommen. Gleichzeitig rief er mir aber auch ins Bewusstsein wie schnell das Leben doch vorbei sein kann und wie wichtig es deshalb ist es mit einem Sinn, einer Lebensaufgabe zu füllen und diese so gut wie es geht zu verfolgen. Wie schön, dass ich mit diesem Jahr die Chance habe einen Großteil meiner Zeit in diesem Sinne zu gestalten.
Von diesem schrecklichen Vorfall abgesehen und davon, dass ich wohl mein erstes Silvester ohne jegliches Feuerwerk erlebt habe, war das Festival wunderschön. Ich tanzte mir die Seele aus dem Leibe und hatte viele interessante Gespräche mit den verschiedensten Menschen aus den verschiedensten Verhältnissen und Ländern.