Mittwoch, 15. Mai 2013

Kunterbunt


- 15. Mai 2013 -
Die Tage werden kälter und meine Wärmflasche meine beste Freundin. Gerade an solchen Tagen ist es unglaublich angenehm damit zu starten eines der Kinder zu massieren. Oft werde ich mit den Worten begrüßt „Me today Laila, ne? Massage!“ und das auserwählte Kind blickt mir oft freudig entgegen (bei denen die zum ersten Mal kommen ist es jedoch viel eher ein Blick voller fragender Unsicherheit). Da mir Mama ein tolles Massageöl aus Deutschland mitgebracht hat, entspannen sie sich nun jedoch noch schneller unter meinen Händen und gleiten geschwind ins Land der Träume.
Nachdem wir im Hort uns zu Beginn des Jahres ausschließlich auf schulische Aufgaben konzentriert hatten, haben wir vor einigen Wochen wieder damit begonnen verschiedene Projekte aufzugreifen. Ich habe wieder eine Zirkusgruppe mit teilweisen alten aber auch relativ vielen neuen Kindern, Ann-Christin leitet Spiele wie beispielsweise Völkerball und Adrian sucht sich regelmäßig verschiedene Kinder aus, die ihm im Garten helfen. Zusammen leiten wir außerdem das Craft-Projekt, dessen letzte Resultate ein schöner Geburtstagskalender sowie Geldbeutel aus Milchtüten waren. Da die Hausaufgaben jedoch verständlicherweise  noch immer an erster Stelle stehen und aufgrund der früh hereinbrechenden Dunkelheit die ersten Kinder das Projekt schon um 6 Uhr verlassen, bleiben mir für meine Zirkusgruppe oft nur 45 Minuten. Die Zeit die mir dann nach einem benötigten Aufwärmen noch zu Verfügung steht, ist leider viel zu kurz um neue Elemente zu erarbeiten. Doch leider scheint es so, als könne man daran im Moment nichts ändern und ich muss auf die Ferien warten um richtig starten zu können. Diese Woche konzentrieren sich die Kinder jedoch darauf, das für die Closing Ceremony Einstudierte noch einmal zu wiederholen. Ein befreundetes Projekt möchte im Juni eine
Talent Show präsentieren und sich am Freitag hierfür zwei Gruppen aus Vulamasango aussuchen, die dort dann auftreten dürfen.
Da wir Freiwilligen außerdem die Aufgabe bekommen haben die Außenwände eines Container zu bemalen und die Kinder recht eigenständig wiederholen und üben können, trifft sich der Zeitpunkt gerade sehr gut. Der Container ist als Computerraum für die Älteren des Projektes vorgesehen und uns wurde völlig freigelassen, wie wir ihn gestalten möchten. Nachdem wir ihn komplett gereinigt und den Kampf mit dem Rost aufgenommen hatten (wir verloren an einigen Stellen), erfrischten wir den weißen Anstrich und setzten unsere Pinsel an um unserer Kreativität freien Lauf zu lassen. Natürlich haben wir uns im Voraus eine Vorlage gezeichnet doch auf einem Stückchen Papier zu zeichnen oder auf einem großen Container mit unfreundlichen Wellen zu malen, das ist ein Unterschied! 

Ich finde jedoch, bis jetzt machen wir unsere Sache sehr gut. Naja, von dem kleinen Dilemma ausgenommen, das mich und eine schöne Wolke rot besprenkelte. Der Farbtopf war aber auch verdammt rutschig, da ist das schon okay, wenn man den mal fallen lässt. Wie Adrian nicht in schallendes Gelächter ausbrach als er Zeuge wurde, wie der Farbtopf aus meiner Hand sprang und sich über mich ergoss, ist mir bis jetzt ein Rätsel. Ich muss einfach zu betröppelt ausgesehen haben.. Inzwischen ist jedoch mein Körper sowie der Container wieder sauber und nur die rote Farbe im Gras erinnert an das Missgeschick.

Emotional bin ich gerade in einer Phase in der ich sehr stark realisiere, wie wenig Zeit mir hier noch verbleibt. Sicherlich trägt dazu auch die verstärkte Beschäftigung mit verschiedenen Universitäten bei. Eigentlich möchte ich mit meinen Gedanken noch gar nicht so weit voraus, nach diesem Jahr sein und doch muss ich es. Ich würde mich viel lieber noch vollkommen auf das Hier und Jetzt konzentrieren und doch muss ich damit beginnen mich um mein Studium zu kümmern. Ich möchte nach wie vor soziale Arbeit studieren doch bin ich mir noch sehr unsicher wo und an welcher Universität. Die starke Beschäftigung mit meiner Heimkehr löst in mir sehr gegenteilige Gefühle aus. Auf der einen Seite zeigt es mir deutlich, wie sehr ich doch eigentlich meine Freunde, meine Heimat vermisse doch auf der anderen Seite macht es mich sehr traurig in 3,5 Monaten Südafrika verlassen zu müssen. Ich habe Angst vor dem Abschiedsschmerz, ist im Gegensatz zu meinem Abschied im August `12 meine Rückkehr noch ungewiss und habe ich doch so viele Menschen fest ins Herz geschlossen. Es passiert in letzter Zeit öfter, dass mich deswegen eine Traurigkeit überfällt und ich nur wenig dagegen machen kann. Ich muss meine Erlebnisse jetzt einfach sehr intensiv in mich aufnehmen, sie in meinem Herzen bewahren und so mit nach Deutschland nehmen.

Nur dem Anschein nach ist die Zeit ein Fluss. Sie ist eher eine grenzenlose Landschaft, und was sich bewegt, ist das Auge des Betrachters.
-Thornton Wilde-

Mittwoch, 8. Mai 2013

Meine Liebsten zu Besuch

- 24. März bis 7. April -

Liebe treue Blogleser,
hier gibt es endlich auch wieder ein Lebenszeichen von mir. Leider war unser Internet und Telefonanschluss für ein paar Wochen lahmgelegt und ich hatte keine Möglichkeit den folgenden Eintrag online zu stellen. Er befindet sich nun schon fast einen Monat auf meinem Laptop und wartet nur darauf veröffentlicht zu werden. Aber besser spät als nie – enjoy! :)

Endlich war es soweit. Seit Tagen fieberte ich auf diesen Moment hin und mein Herz pochte wie verrückt, als ich mich auf den Weg zum kapstadter Flughafen begab. Während wiedervereinte Menschen sich glücklich in die Arme vielen und Schildträger sich darum bemühten einen möglichst auffälligen Platz zu ergattern, hielt ich meine Augen angestrengt auf den Gang gerichtet, aus dem Massen von gelandeten Fluggästen quollen. Und da waren sie. Nach 7 Monaten sah ich meine geliebte Mama und Schwester nun zum ersten Mal wieder (aufgrund des begrenzten Internets ist es uns nicht einmal möglich zu skypen). Der Versuch meine Emotionen unter Kontrolle zu halten scheiterte natürlich kläglich und Tränen voller Glück stiegen mir in die Augen als ich die Beiden nach so langer Zeit wieder in meine Arme schließen konnte.


Es war unglaublich schön, wie heimisch das Gefühl war sie hier zu haben und zu spüren, dass sich zwischen uns trotz der langen Trennung nichts verändert hat. Ohne auch nur irgendeine Gewöhnungsphase zu benötigen waren wir zusammen die Drei, die wir daheim in Wittnau aber auch in Indien, Amerika, Sri Lanka, Marokko etc. waren und das fühlte sich wunderschön an. Jede mit ihren eigenen Macken, Witzen oder Angewohnheiten, die die anderen Zwei nur all zu gut kennen und über die Jahre gelernt haben mehr oder weniger gut damit umgehen zu können. In diesem Zusammenhang fällt mir eine Situation auf einer unserer Fahrten ein. Ich kringelte mich über irgendein unwitzigen Witz den ich zum besten gegeben hatte, worauf mich Mama mit einem gewissen Unterton fragte, ob ich eigentlich in irgendeiner Weise das Gefühl habe mich verändert zu haben. Auf mein unsicheres „nöööö, du?“ meinte sie nur grinsend „überhaupt nicht!“. Natürlich gibt es schon ein paar kleine Veränderungen. So habe ich zum Beispiel gemerkt, dass ich es überhaupt nicht mehr gewöhnt bin mich in gewissen Dingen rechtfertigen zu müssen und Mama meinte ich hätte mich zu einer richtigen Hausfrau gemausert. Im Großteil aber bin ich immer noch ich und das finde ich schön zu wissen. Ich glaube dafür, dass mich ein solchen Jahr völlig verändern würde, hatte ich mich schon vor meiner Abreise im August 2012 zu viel gefunden.
Da ich die erste Woche nach der Ankunft der Beiden noch arbeiten musste, zogen sie viel alleine los und erkundeten mein derzeitiges Zuhause Kapstadt. Auch auf der Farm besuchten sie mich und verbrachten einen gesamten Arbeitstag von morgens um 9 Uhr bis abends um 19 Uhr mit mir. Es war richtig schön ihnen all das zeigen zu können, das sie bis dahin nur aus meinen Erzählungen kannten. Von jetzt an wissen sie immer genau bescheid, wenn ich ihnen von einer Person oder einem bestimmten Ort erzähle, wodurch auch sie sich meinem Leben hier viel näher fühlen können.
Da ich ab dem folgenden Freitag zehn Tage frei bekommen hatten, nutzen wir die Zeit um noch etwas zu reisen, etwas vom Land zu entdecken. Zuerst begaben wir uns jedoch noch zum Cape of good Hope, zum Kap der guten Hoffnung. Auf dem Weg dorthin begegneten wir einer netten Affen- sowie Vogelstraußfamilie, die mit langgestreckten Hälsen über die Straße schritt und die runden Augen neugierig über die Autos streifen ließ. Bei dem kalten Wind der uns um die Ohren blies, vermisste ich die Sonnenstrahlen sehr, die mich bei meinem ersten Besuch am Cape of good Hope begleiteten. Doch während sich in Deutschland so langsam die ersten Sonnenstrahlen zeigen, wird es hier Herbst und der steuert beängstigend schnell auf den Winter zu.
Eigentlich hatten wir am nächsten Tag einen schönen Ausritt am Strand geplant, doch wir hatten die Rechnung ohne den Wind gemacht aufgrund wessen der geplante Ausritt aus Sicherheitsgründen abgesagt wurde. So entschieden wir uns stattdessen den Chapman`s Peak Drive, eine schöne Küstenstraße zu fahren, die einem ausdrücklich die Schönheit der Natur hier vor Augen führt.
Am nächsten Tag begann unsere Reise durch das schöne Weinland und durch atemberaubende Berge. Weiter führte es uns auf die Route 62 die durch die Karoolandschaft vorbei an kleinen Örtchen führt, nach Oudtshoorn wo wir die Tiefen einer großen Tropfsteinhöhle erkundeten und ich wohl meinen nahesten Regenbogen sah.
Der Weg zu unserem nächsten Ziel Prince Albert führte uns über den nicht asphaltieren Swartberg Pass und war ein richtiges kleines Abenteuer, Während auf dem Höhepunkt des Passes tiefe Abhänge den Wegesrand säumten, türmten sich am Fuße des Berges gewaltige Steinwände auf, durch die wir uns mit unserem kleinen Mietwagen schlängelten. Prince Albert scheint ein verschlafenes, wohlhabendes Dörfchen zu sein, in dem wir jedoch sehr freundlich willkommen geheißen wurden. Während man in den meisten Gegenden Südafrika eher vorsichtig sein sollte, scheint es in Prince Albert keine Kriminalität zu geben. So wurde es uns zumindest von unserem Freundlichen Gastherrn erzählt, der uns versicherte es sei hier kein Problem wenn wir nachts auf der Straße wären und unsere Haustür können wir abschließen, ist aber eigentlich nicht nötig.
Nachdem wir Prince Albert am nächsten Tag verließen, begaben wir uns runter an die Küste nach Plettenberg Bay. Hier wurden wir sogar mit ein bisschen Sonne verwöhnt, sodass wir einen Tag an einem großen weißen Sandstrand entspannen konnten. Erst als der Wind uns in die Glieder fuhr und uns permanente Gänsehaut verschuf, begaben wir uns zum Auto, warfen noch einmal einen Blick auf die große Bucht in der es zur Saisonzeit nur so von Walen wimmeln soll, und begaben uns auf den Rückweg an der Küste entlang nach Mossel Bay. Hier kamen wir in einem alten Zug unter, der zu einem Backpacker umfunktioniert worden war. In seiner Einfachheit erinnerte es mich stark an eine Nacht die wir Drei damals in einem indischen Sammelschlafwagon verbrachten. Da jedoch das Ruckeln des Zuges, das Geräusch der Ventilatoren und der Inder im Bett nebenan der seine Handynummer durch das Gitter schob fehlte, erwies sich die Nacht in Mossel Bay doch um einiges komfortabler.

Unseren letzten Halt vor der Rückkehr nach Kapstadt machten wir am Cape Agulhas, dem südlichsten Punkt Afrikas, wo sich indischer Ozean und Atlantik treffen. Es fühlt sich unglaublich an dort zu stehen, auf den Ozean zu blicken und zu wissen, zwischen mir und dem Südpol befindet sich nun nur noch Wasser.
Nach einem wunderschönen sonnigen Tag und einem doch noch geglückten Strandausritt, setzten wir uns wieder ins Auto kehrten zurück nach Kapstadt. Auch dieses Mal stellte sich bei mir ein Gefühl des Heimkommens ein, als ich in die mir gut bekannten Straßen dieser schönen Stadt fuhr.

Nun blieben uns nur noch 1,5 Tage zusammen und es machte mich traurig die Beiden bald wieder gehen lassen zu müssen. Der Samstag wurde jedoch noch einmal ein ausgesprochen schöner Tag. Da uns noch der gemeinsame Aufstieg auf den Tafelberg fehlte, brachen wir trotz leichten Regens und durch das Reiten verursachte Beinschmerzen am Samstag morgen auf. Da für mich die Hochfahrt mit dem Cable Car nicht in Frage kam, liefen wir, ungewiss darüber ob das Wetter uns wohlgesinnt war, los. Von Wohlsinn konnte jedoch kaum die Rede sein. Die schwülen Temperaturen am Fuße ließen den Schweiß aus allen Poren treten und weiter oben verbarg uns nasser Nebel jegliche Sicht. Wir hielten jedoch durch und als wir uns schließlich am Gipfel, erschöpft und doch glücklich, im Gipfelcafe niederließen, klärte der Himmel auf und offenbarte uns eine atemberaubende Sicht.
Trotz der Anstrengung und des weniger guten Wetters war dies ein wunderschöner Tag und
da wir uns für den Rückweg für die Cable Car Variante entschieden, blieb ich dieses Mal sogar von schmerzenden Beinen am nächsten Tag verschont. 
Während ich zwar von schmerzenden Beinen verschont blieb, blieb der Schmerz des Abschieds am nächsten Tag nicht aus. Dieses Mal war es jedoch Mama, die als erstes dem Drang ihrer Tränen nachgab und dem Schmerz eines weiteren Abschieds Ausdruck gab. Natürlich konnte auch ich meine Tränen nicht zurückhalten und ich blickte ihnen traurig nach, bis sie hinter großen Glastüren verschwanden. Auch wenn dieser Abschied schwer war, ist er nicht zu vergleichen mit dem, was ich vor sieben Monaten gefühlt hatte. Kapstadt ist zu meiner zweiten Heimat geworden, ich habe Freunde hier gefunden und bin jeden Tag umgeben mit Kindern die ich fest in mein Herz geschlossen habe. Ich kenne mich auf den Straßen aus und kenne meine Aufgaben im Projekt. Außerdem fliegt die Zeit hier förmlich an mir vorbei sodass ich weiß, 5 Monate gehen schnell vorbei. Und 5 Monate sind genau die Zeit, nach der ich die Beiden wieder sehe.
Ich bin unglaublich dankbar dafür, dass sie mich hier besucht haben. Sie haben mir viel Kraft gegeben für die verbleibende Zeit und mir gezeigt, egal wie lange wir voneinander getrennt sind, wir drei sind eine Einheit.
Danke Mama, danke Aisha!